Korrespondenzen (im Aufbau)
Briefe von Otto Dix an Hans Bretschneider 1911/12
undatierter Brief, wohl 1911 (Teil 2)

... Anschauungen geläutert sind und daß Du schon Mann bist. Dann wirfst Du mir vor, daß ich mich vor manchen Wahrheiten ekele. Das ist durchaus nicht der Fall. Im Gegenteil, ich suche mir jetzt überall wehzutun und suche gerade die unangenehmen Wahrheiten. – Ich pflege jetzt meinen Körper mehr als sonst, weil ich in einem gesunden Körper den Träger eines gesunden Wissens sehe. Ich bin Vegetarier, wenn auch noch nicht ganz rein. Auch genieße ich kein[en] Alkohol. Nur das Rauchen muß ich mir noch abgewöhnen. Sport fehlt mir, recht gefährlicher, aber gesunder Sport. Erst kommt der Körper, dann der Geist. Erst soll man den Körper nähren, dann den Geist. Was waren doch die Spartaner für ein prachtvolles Geschlecht! Was ist unsere Kunst gegen die griechische. Krankhaft geistreich (auch die meinige). – Hälst [sic] Du es für Sünde, wenn man die Ansichten großer Männer studiert? Oder wenn man wissenschaftlich sein möchte? Nietzsche sagt zu den Künstlern „Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?“ – Lieber Hans! Du schreibst, ich soll Dich besuchen, aber ich habe leider gar keine Zeit. Und wenn es nur nicht so teuer wäre! Deine Krankheit hat mich in Erstaunen gesetzt und in Schrecken zugleich. Wie hast Du Dir daß [sic] denn geholt? Ich rate Dir auch Vegetarier und Antialkoholiker zu werden, wenn Du wieder ganz gesunden willst. Denn jedes Gift, was Du Deinem Körper durch Fleisch und geistige Getränke zuführst, wird die Krankheit wieder hervorbrechen lassen. – Schreibertechnik habe ich nicht, Du mußt Dir meine Briefe selber technisch konstruieren. Schreibe bald wieder. Baldige Genesung wünscht Dir von Herzen Dein Otto.