Korrespondenzen (im Aufbau)
Briefe von Otto Dix an Hans Bretschneider 1911/12
Ein vertraulicher Briefwechsel zwischen dem Kunstgewerbeschüler in Dresden mit seinem Jugendfreund in Gera vermittelt bis Mitte 1912 einen lebendigen Eindruck vom jungen Dix und dessen Start ins Künstlerleben.
[veröffentlicht in: Ulrike Lorenz (Hrsg.), Dix avant Dix, Jena 2000, S. 267 f.]
undatierter Brief, wohl 1911

Lieber Hans! Aus Deinem Brief sehe ich richtig das Kind unserer Zeit. Auch ich bin ein solches, mit meiner Anschauung über Kunst. Was ist individuell? Das Hinzutun des Ichs in die Natur. Unsere ganze Zeit ist ichsüchtig. Vom niedrigsten Schüler bis zum größten Meister. Und Du hältst mein Streben nach Natur, nach reiner Natur ohne heroischen Balg, für Stil? Ist es nicht tausendmal edler, größer sich bemeistern können und nur die Natur zu sehen als überall das „Ich“ mit hinein bringen? (ich meine nur die Materie der Natur sehen) Selbstverständlich wird aus jeder Naturstudie, die ich mache, ein persönliches Erlebnis. Aber man soll eben nicht so viel erleben, sondern lieber nach der Art der Dillettanten [sic] die Natur abschreiben. Du wirst das verkehrt auffassen, weil Du selbst nicht bildender Künstler bist. Aber ich meine, zuerst muß man mal ein festes Fundament haben, ehe man sein Haus bauen kann. – Über unsere Lebenskunst schreibst Du, „wir wären Popanze“. Sind wirs heute nicht mehr? Es mag der Fall sein, das [sic] in meinen Briefen immer eine Anschauung die andere auffrißt. Mir ist es überhaupt jetzt furchtbar wüst im Kopf. Du scheinst an der Einbildung zu leiden, daß Deine ...