Erinnerungen
Erinnerungen an Kindheit und Jugend in Gera, 1966 (Teil 2)

... Bei Vetter Fritz Amann, der Kunstmaler war, mußte ich manchmal Modell sitzen. Der herrliche Duft der Ölfarben und Lacke, vermischt mit dem Duft des Tabakrauches aus der Pfeife des Vetters, dazu die schönen Farben auf der Palette, weckten schon als kleiner Junge in mir den Wunsch, Maler zu werden. Vielleicht ist überhaupt der Geruchssinn viel elementarer als der Gesichtssinn, sozusagen der Ursinn. In der Schule hatte ich keine Schwierigkeiten. Nur im Turnen war ich recht schwach und habe nie einen Klimmzug fertig gebracht. Gedichte, Gereimtes, merkte ich mir spielend und zwar visuell. Ich sah die Seite des Buches im Geiste vor mir und las einfach ab. Desweiteren übertrug ich auch Erzähltes oder Gelesenes in mir bekannte Örtlichkeiten. So wurde Josef von seinen Brüdern auf der Reitbahn nach Milbitz zu in einen Brunnen geworfen. Die alte, schilfbewachsene Elster in Milbitz war Ägypten. Dort wurde Moses ausgesetzt. Im Frühling ging ich mit Otto Dix, einem etwas entfernten Verwandten, in die Fuchsklamm, wo wir Gärten anlegten und mit Leberblumen, Lungenkraut und Himmelschlüsseln bepflanzten. In meiner Kinderzeit hatte ich mehrere Male Lungenentzündung und im Fieber träumte ich jedesmal das gleiche. Ich sah eine Lehmgrube in der Erde und darauf ein reifes Kornfeld, also wie im heißen Sommer. Ich floh durch das Kornfeld vor den braunen Männern, die hinter mir in rasender Schnelligkeit die Erde abhackten. (Heute habe ich mir das prophetisch gedeutet. Ob das stimmt, weiß ich nicht.) Wir wohnten einige Jahre in dem Hause, das dem Vater von Paul Hartmann gehörte. Paul war ein Freund von mir, ein langer Kerl, ein gutmütiger Riese. Als ich einmal ...