Korrespondenzen (im Aufbau)
Briefe von Otto Dix an Kurt Günther, um 1919
Kurt Günther (1893-1955) stammt wie Dix aus Gera. Beide kamen sich in der gemeinsamen Studienzeit an der Dresdener Kunstakademie näher. Seit 1926 wieder in Gera ansässig, avancierte Günther zu Thüringens bedeutendsten Veristen – Dix machte währenddessen Karriere in Berlin.
[veröffentlicht in: Diether Schmidt, Otto Dix im Selbstbildnis, Berlin 1981, S. 201]
undatierter Brief, um Februar 1912

Lieber Günther! Endlich ein Brief von Ihnen! Da Richter Scheiße in den Hosen hat und mich nicht ausstellen will, da überhaupt kein Kunsthändler in Dresden Mut hat, mich auszustellen, fällt also die ganze Schose ins Wasser. Ich bin auch nicht mehr allzu scharf drauf, als Dresdner Spießer-schreck aufzutreten. Meine Bilder existieren und werden wahrscheinlich bis auf weiteres das böse Gewissen aller Kunsthändler, Ästeten, Expressionisten und anderer alter Tanten und Gänse sein. „Macht ihrs gut, so wollen wir schweigen, macht ihrs schlimm, so wollen wir lachen und es immer schlimmer machen“. Bei dem Künstlerfest war ich nicht, ich bin froh, wenn ich von diesen Banausen nichts sehe. – Ich habe einstweilen wieder neue Sachen gemacht, die für schwache Nerven Ge(le)genheit zum Nervenschocken sind; für Moralisten das Entsetzen und für Tänzer lustige Seile und Springböcke. Ich rate Ihnen, nicht nach Leipzig zu gehen, das scheint ganz verspießert zu sein. Ihr Freund Dressler hat mir Radierungen geschickt. Ich habe sie der Sezession vorgelegt, aber man fand die Sachen nicht radikal genug. Schade, dass der Kerl in Leipzig „vergraphikert“. Einige Köpfe sind sehr hoffnungsvoll, anderes wieder absolut Radiererfingerfertigkeit. Der Man kann viel zu gut radieren. Ich muß ihm heute Bescheid schreiben, so leid es mir tut. Schreiben Sie mir bald wieder mal. Gruß von Schulhoff und Schwester. Besten Gruß Dix